To tame the mule…Rückstoß

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In jeder Flinte steckt ein Maultier und das TRITT !
Ein alter Werbespruch aus den 20er Jahren, der aber immer noch seine Wahrheit hat.
Sicherlich ist der Rückstoß der unangenehmste Teil des Schießen und, wenn falsch mit ihm umgegangen wird ,der Hauptgrund die Flinte ins Korn zu werfen.

Was ist das nun: Rückstoß?
Zuerst mal muß differenziert werden, zwischen dem Hochschlagen der Mündung und der Bewegung der ganzen Waffe nach hinten.
Ersteres ist der Hochschlag ,letzteres der tatsächliche Rückstoß.

Beides ist aus unterschiedlichen Gründen hinderlich.
Der Hochschlag treibt die Mündung aus dem Ziel und erschwert so den zweiten Schuß und unterbricht die Sichtverbindung zum Ziel.

Der Rückstoß treibt die ganze Waffe linear mit Kraftzentrum der Laufseelenachse nach hinten in die Schützenschulter.
Somit erklärt sich die unterschiedlich Wahrnehmung von Rückstoß bei DF’s und BDF’s. Der untere Laufes einer BDF ist , rückstoßtechnisch, besser zur Schulter positioniert, als jedweder Lauf einer DF.

Hoch und Rückschlag zusammen sind von der Masse der Vorlage und der Masse des Gewehres abhängig.
Je leichter das Geschoß/Schrotgarbe, umso geringer ihre Kräfte, die sie auf das Gewehr übertragen.
Ebenso beeinflusst das Waffengewicht den Rückstoß. Je leichter eine Waffe umso heftiger.

Nebenbei bemerkt, ist dies der Grund, warum 20er Flinten KEINE Waffen für rückstoßempfindliche Damen sind, da diese Waffen bei geringerem Gewicht, die gleiche Vorlage wie eine 12er verschießen ,aber durch ihr geringeres Gewicht mehr Rückstoßkraft auf den Schützen übertragen.

Relevant ist natürlich auch die Stärke der Ladung der Patrone.
Leichte Subsonic-patronen und Magnumpatronen für hohe Jagdvorlagen stellen die beiden Extreme dar.

Das Leiden am Rückstoß beginnt mit dem blauen Fleck an der Schulter, dann wird der Anschlag immer schlechter und der Kopf wird immer weiter vom Schaftrücken entfernt.
Dies führt zu unangenehmen, teils blutigen, Schlägen auf den Gesichtsbereich zwischen Unterkiefer und Jochbein. Kopfschmerzen und Schwindelgefühl treten auf.
Das unter solchen Bedingungen kein Treffen mehr möglich ist , und sich jeder Anschlag und Schwung auflöst, ist klar.

Was kann man unternehmen?
Verhindern kann man ihn nicht. Jedenfalls nicht soweit als man physikalische Kräfte quasi magisch, verschwinden lassen kann.
Aber man kann sie umlenken und nutzen …ignorieren kann man auch versuchen
…bringt aber nix 😉

Zunächst ist da der Faktor Schütze.
„Ein großer schwerer Mann verträgt mehr Rückstoß, als eine kleine zarte Frau ?!“ :Zitat Stammtisch
Vertragen oder empfinden, mag ja sein, doch kommt es zu aller erst auf seine /Ihre Schießweise an.
Essentiell ist ein korrekter Anschlag, mit richtiger Positionierung der Waffe und des Kopfes.
Dazu muß aber auch die Schaftlänge stimmen, damit kein „Spielraum“ für unnütze Waffenbewegungen gegeben ist. Ergo sollte er so lang, wie angenehm schiessbar, sein.
Bedauerlicherweise wird dies bei der teutschen Manie des Schaftverstümmels durch, nach Bastelanleitung schnitzender Handwerker, vernachlässigt .
Die Form des Schaftes ,der Anlageflächen und des Pistolengriffes, sowie seine Masse, tragen zur subjektiven Erleichterung von Rückstoß bei,weil objektiv Kraft auf mehr Fläche verteilt wird.
Positive Beispiele dafür sind die voluminösen italienischen Wettkampfschäfte mit ausgeprägt steilen Etchen-griffen.

Die Schaftlänge, oder genauer die Anschlagslänge, sollte konstant gehalten werden .
Unterschiedliche Kleidung verändert die Länge und sollte wenn erforderlich mit auswechselbaren Schaftkappen kompensiert werden.

Unsinnig und albern sind alle Arten von Polstern, die sich verzweifelte Menschen in die Weste oder die Jagdjacke stopfen.
Dick, schwammig und steif, lassen sie keinen kontrollierten Anschlag mehr zu und verändern natürlich sowohl die optimale Anschlagslänge, wie auch den gefühlten Körperkontankt zur Waffe , in absurdester Weise.

Schaftkappen aus Gummi und Gel,sowie in verschieden Stärken und Formen sind ein erster, richtiger Schritt den Rückstoß in den Griff zu bekommen. Nicht außer Acht lassen, sollte man aber bei allen Kappen, dass sie auch die nötige „Schlüpfrigkeit“, für eine fliesendes Gleiten am Schützen während des Anschlagvorgangs haben.

Im Schaftinneren scheint genügend Raum allerlei Gerät unterzubringen, sagen sich seit Jahren Erfinder und Tüftler .
So gibt es einige recht nützliche Konstruktionen von Dämpfungssystemen, die dort an der richtigen Stelle angebracht sind.
Zur Zeit werden flexible Federsysteme, ölgefüllte Dämpfer, impulsverzögernde und impulsabsorbierende Konstruktionen und schlichte mit Quecksilber oder Wolframgranulat gefüllt Röhren angeboten.
Viele dieser Systeme funktionieren (unabhängig vom Preis) ganz famos, haben aber den gewaltigen Nachteil, dass sich die Balance einer Waffe mit Holzschaft negativ verändert.

Am anderen Ende der Waffe kann man auch etwas tun; hier allerdings sind die Möglichkeiten eher auf die Beherrschung des Hochschlages zu konzentrieren.
Porting, das sind kleine Löchlein an der Oberseite des Laufes, hilft die Gase ,die unsere Garbe anschiebt ,nach oben umzuleiten.
Wie kleine Düsen pusten sie nach oben und dämpfen so den Hochlauf der Mündung.
Kompensatoren wie sie bei Büchsen oder Kurzwaffen gebräuchlich sind, helfen beim Verschießen von Schrotladungen nicht.

Wer nun noch mehr tun will, der wird zwangsläufig auch ein Waffensystem wählen müssen, welches die Kräfte des Schusses noch weiter verarbeitet.
Gasdrucklader und Rückstoßlader sind hier zu nennen.
Bei beiden wird entstandene Energie zur Betätigung des Repetiermechanismuses benutzt.
So unterschiedlich die beiden Systeme (und deren Variationen) auch sind, gemein haben sie, dass kinetische Energie auf ein Federsystem umgeleitet wird, welches neben der Betätigung des Verschlusses auch ,quasi nebenbei, weniger Energie an der Schützenschulter ankommen lässt.
Das Maultier tritt sich selbst !

Kombiniert man dies mit im passenden Kunststoffschäften , integriert ein Rückstoßdämpfungssystem und mündungsseitig ein effektives Portingsystem und bleibt bei einem Waffengewicht von über 3 Kilo … so schießt man fast „wie auf Daunen“ und verdaut auch schwere Ladungen .

Im der Wunderwelt des Marketing werden natürlich noch andere Möglichkeiten zur Dämpfung der Rückstoßenergie hervorgehoben.
So dämpfen Schrotkörbe und lange Übergangskonen, Überbohren von Läufen und weiche Culos…allein,… merken tut der Schütze diese Segnungen nur, wenn auch eine Portion Glaube hilft, die im Labor erzielte zarten Werte auf seine weit weniger zarte Schulter zu übertragen.

Rückstoßempfindlichkeit ist übrigens kein Zeichen von Weicheiern und Warmduschern.
Diejenigen, die in Argentinien viele tausend Schuß in wenigen Tagen abgeben, würden sich bedanken, so tituliert zu werden.

Das Umdenken hat auch bei uns begonnen, leichtere Vorlagen ,besser geschäftete Flinten und die Ausnutzung von Systemvorteilen, wie sie die modernen SLFs bieten, setzen sich zwar langsam, aber stetig durch.

Blaue Flecken sind kein Ehrenzeichen der Flintenschützen, malträtierte Schultern kein notwendiges Übel und Rückstoß keine Ausrede nicht zu treffen.

Bunduki

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