Im Gleichgewicht… Flinten balance

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Wenns mal richtig heiß hergeht ,mit schnellen Überkopffasanen,flinken Rothühneren oder einer besonders raffinierten TT Doublette,lernt man die „Schwungkraft“ seiner Flinte zu schätzen.

Diese Kraft ,leicht und geschmeidig von Ziel zu Ziel zu schwingen,es aufzunehmen und fast mühelos von einem Schwung in den nächsten zu gleiten, bedingt eine gute ,abgestimmte Balance einer Flinte

Kaum ein Begriff wird so gerne verwandt , wenn es gilt, ein edles Stück Flintenkunst zu beschreiben.

Nicht ein anderes Wort wird so oft gebraucht, um die Qualität einer Flinte hervorzuheben.

Bei uns wird gerne noch das Wort Führigkeit benutzt, eine sehr deutsche aber sehr treffende Bezeichnung, die man aber keinesfalls mit der Balance verwechseln sollte (dazu später mehr).

Fast schon esotherisch anmutende Elogen auf die Kunst des Flintenbaus, hört man bei der Beschreibung der Balance von englischen Querflinten der „besten Art“.

Und RICHTIG !
Die Balance ist ein sehr wichtiger Faktor beim Flintenschießen.
Von ihr hängt es ab, ob der individuelle Schießstil des Schützen optimal ausgenutzt werden kann.
Hier entscheiden sich die letzten Feinheiten des Schwunges…ob ein progressiver Schwung ausgebaut werden kann, oder ob der Schütze sich jagdlich mit einem neutralen Schwungverhalten der Flinte seine Beute holt.

Lassen Sie uns also mal ein wenig eintauchen in die Welt der Flintenbalance.
Zunächst sollten wir bestimmte Begriffe klären, die immer wieder vermengt werden.

Zunächst ist als baulicher Wert einer Flinte der neutrale SCHWERPUNKT der Waffe wichtig.
Er ist von Bauart und Material abhänging. Er liegt meist eine knappe Handbreit vor dem Abzugbügel.

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Dann haben wir die sogenannnte Führigkeit einer Flinte ,die sich auf die praktische Anwendung der Jagd bezieht und Gesamtgewicht und Länge der Waffe ebenso berücksichtigt, wie die eigentliche „Schwungkraft“ sprich die Balance beim Schuß.

Die Balance selbst ergibt sich aus mehreren Faktoren.
Bei einer ausgewogenen Balance, wünschen wir den Schwerpunkt der Waffe zwischen Führ- Hand und Abzugshand.
Ergo ist die Größe des Schützen ist wichtig, da große Menschen die Waffe weiter fassen, als kleine.
Da aber die Abzugshand eine immer gleiche Position haben muß, ist allein die Position der Führhand variabel.
Dies in Betracht gezogen, wird nun auch aufgrund der Bauart der Flinte die eigentliche Crux des Schwerpunktes und des individuellen Balancezentrums offensichtlich.

siehe Bild
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Ferner müssen die körperlichen Eigenschaften des Schützen beachtet werden.
So werden ausgeprägte Rechtshänder einseitig mehr Kraft haben.
Extrembeispiel ist ein Flinte schießender Tennisspieler, der rechts fast ein Drittel mehr Muskelmasse und einen entsprechenden Muskeltonus vorweist , als in seinem wenig trainierten linken Arm.
Da aber beim Flintenschießen die linke die Hand die Schwung-führung inne hat, verschiebt sich sein subjektives „Balancebild“.
i.d.R. empfindet er eine objektiv hecklastige Flinte als ausgewogener, als eine mit neutralem Schwerpunkt zwischen seinen Händen.
Auch viele weitere Faktoren im Körperbau beeinträchtigen das Gefühl, einen ausbalancierten Gegenstand in der Hand zu halten.
Messen und wiegen bringen da herzlich wenig, denn es ist zu allererst das Gespür des Gleichgewichtes, dass befriedigt werden sollte.

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Somit wird jedem klar sein, dass Balance etwas zutiefst individuelles ist.

Was kann nun getan werden, um eine Flinte für den Schützen auszubalancieren

Nun, zu nächst sollte man nichts beim Flintenschießen dogmatisch sehen;
…auch nicht die Balance!!
DENN: Unser schlauer oberster Baumeister hat uns außer Humor, Katzenallergie und Bauchansatz noch etwas ganz besonders Kluges mit auf den Weg gegeben.
Die wunderbare Kraft den Körper zu adaptieren. 😉

Was nichts anderes heißt,als dass unser Körper und unsere Muskeln sich an bestimmte Umstände gewöhnen und das Beste draus machen.
Ganz ohne unser Zutun , sozusagen auf Autopilot.

Das erklärt auch, warum so viele Menschen mit ganz normalen Flinten, sehr gute Leistungen erbringen…ohne Maßschaft und ohne technischen Firlefanz.
(Was nun nicht heißt, dass man an Mensch und Material nicht vieles verbessern kann)

Besonders klar wird einem die Relativität der Anwendung von Balance ,wenn man bedenkt, dass zum Beispiel Waffen mit Magazinen ihren Schwerpunkt mit jeder Patrone darin verändern.

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Aus diesem einfachen Grund wird auch eine SLF, die über ein Schaft-Magazin beladen wird, nicht automatisch eine „bessere“ Balance haben ( tut mir leid, lieber Amerigo Cosmi!) …nur eben eine „andere“

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Hier die Industrie zu fordern, hieße sie zu überfordern, denn Standardware kann für einen Weltmarkt immer nur in Standardwerten hergestellt werden.
Dabei können wir uns heute wirklich freuen.
Eine große Anzahl der Flinten des mittleren Preissegmentes sind heute mit schlanken Laufbündeln und abgespeckten Sportingschäften versehen und haben von Hause aus, eine angenehme Dynamik und eine wohltuend neutrale Gewichtsverteilung.

Das „Balance“ immer gesondert und besonders gelobt wird , ist normal , wohl auch legitim,… manchmal auch schlicht lästig

Zurück in die richtige Welt:
Die Balance zu verändern ,ist dennoch bei jeder Flinte , wenn es darum geht, den idealen Schwerpunkt zu finden.
Anschläge variieren, Bekleidung und äußere Umstände zwingen uns ,unterschiedliche Positionen der Führhand auf.
Bei allem Willen, das Maximum an Ausgewogenheit zu erreichen, sollte nicht die herrliche Fähigkeit der Adaption vergessen werden.
Unser Körper ist perfekt darin, kleine Unausgewogenheiten aufs feinste auszugleichen.

Das Standardprozedere der Balancekorrektur, beginnt mit der Wahl des Schaftholzes und dessen Gewicht und Dichte.
Lauflänge und Laufwandstärken sind ebensolche Variablen, die genutzt werden können.
Eine bestehende Flinte kostengünstig zu verändern, ist relativ leicht.
Gewicht kann zu jedem Schaft addiert, wie subtrahiert werden , Vorderschäfte mit Gewichten zu erschweren, ist mangels Platz etwas schwieriger, aber durchaus möglich.
Der Hersteller einer modular aufgebauten Flinte macht es besonders offensichtlich, wie weit seine Flinte mit einem Balance System und Gewichten verändert werden kann…doch sind diese Möglichkeiten alles andere als neu und jedem Flintenbauer bekannt.
Dennoch bieten diese Flinten derzeit das Maximum an Verstellmöglichkeiten, die dem Schütze selbst auf dem Stand zur Verfügung stehen.
Leider ist das gezielte Einsetzen dieser Vorteile ,auch an genaue Kenntnis und Selbsteinschätzung gebunden.
Alles andere führt zur „ewigen Baustelle“ und letztendlich zur Kannibalisierung der eigenen Schießkünste.

Partielle Zu- und Wegnahme von Gewicht waren von Anbeginn des Flintenbaues, eine Grundlage anspruchvolle Klienten zufrieden zu stellen.Jeder gute Büma mit Flintenpraxis, kennt Tricks und Kniffe, die meist nicht viel Kosten.

Doch wozu nun die ganze Arbeit?
Nur um das „gleichmäßige Gefühl „ zwischen den Händen zu haben?
Ja und Nein !

Denn nicht jeder will eine gleichmäßige Gewichtsverteilung.
So mancher schwört auf eine vorderlastige Flinte,wenn es um weite Tauben im Parcours oder präzise Feinmotorik beim Trap geht.

Je weiter die Tauben beim Parcourschießen wurden, umso länger wurden die Läufe gewählt.
Warum: weil ein langer schwerer Lauf sehr gleichmäßig schwingt und einen temperamentvollen Schützen somit zu einer harmonischen Bewegung zwingt.

Jäger die die Waldjagd auf kurze Entfernungen lieben…
Schützen die sich darüber im Klaren sind, 2 Läufe zu haben und jedem einzelnen zum Beutemachen nutzen wollen und können …Doublettenkünstler 😉
Skeet und Parcourssportler die sich auf kurze, schnelle und verwinkelte Ziele einstellen wollen…
…. bevorzugen Flinten die mit kurzen Läufen dynamisch und fast explosiv schwingen…und da ist Vorderlastigkeit so unerwünscht wie Pusteln.

Ganz normale Schützen schätzen schlicht eine Flinte, die sich zwischen ihren Händen „unscheinbar“ anfühlt. Eine Flinte die wie selbstverständlich in Anschlag gebracht werden kann und von „alleine“ schwingt.

Heute im Zeitalter der modernen BDF und der moderaten Lauflängen (ausser bei FITASC schützen), haben wir nicht mehr ganz so große Probleme mit unausgewogenen Flinten.
Viele Schützen können nicht mal sagen, ob ihre Flinte vorder- oder hinterlastig ist.

Um das festzustellen, gehört es in spanischen Schießschulen (und bei mir natürlich) mit zum Standardprogramm, Schüler einen kleinen Test durchführen zu lassen.
Da dieser Test das Muskelgedächtnis austrickst, funktioniert er nur, wenn er nicht ständig wiederholt wird.!

Fassen Sie ihre Flinte wie gewohnt und üben sie ein klein wenig Zug nach außen aus.
D.h. die rechte zieht ein wenig nach hinten ,die linke nach vorne.
So,unter leichter Spannung, führen sie ihren Anschlag langsam und bewusst aus.

Ist der Lauf zu schwer, merken Sie es, da er nicht so schnell reagiert (quasi im Anschlag zurückbleibt) das selbe gilt vice versa für den Hinterschaft…auch der wird bei der Bewegung zurückbleiben, wenn der Schwerpunkt zu stark zu seiner Seite ausfällt.

Festgestellt, das was einseitig ist?
Ab zum Büma? Aber nein…

Die Balance ist nur ein kleiner Teil eines Ganzen.
Ob gut oder schlecht, entscheidet man auf den Schießstand und im direkten Vergleichsschießen von anderen, anders balacierten Waffen.

Wichtig ist das, was man als „Wohlfühlen mit der Waffe“ nicht besser beschreiben kann.

Wer eine bestimmte Balance zum Dogma macht, verkennt den individuellen Kern des Flintenschießens…
Wer esotherisches Flintengemunkel von traumhafter Balance englischer Bestguns normalen Jägern und Schützen als Katechismus aufschwatzen will, dem sollte man die Tweedmütze gehörig über die Ohren ziehen…denn auch dort wurde nur mit Wasser gekocht…und vielleicht steckt ja doch mal wieder die allgegenwärtige Gier auf’s leichte Geld dahinter…

Also…immer schön in der Mitte bleiben

Bunduki

PS:
aus aktuellem Anlaß:
Ich gestatte immer noch nicht das ungefragte kommerzielle Verwenden von meinen Texten und Bildern .
Auch sogenannte Ausbilder haben sich an das Copyright zu halten.

Gerne geben wir aber Wissen und Schieß-Praxis in unseren Flintenworkshops weiter, die jeder Jagdkurs oder jede Gruppe von Schützen ab 6 personen buchen kann.

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