Querdenker…die anderen Flintenbauer

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„Eine Große Auswahl an Flinten erwartet Sie!“

Schon mal gelesen? Und …?
Jaaa. Schon,aber eigentlich…?!

Die leicht verunsicherte Antwort ist verständlich.
Zwar quellen Auktionsplattformen über vor Flinten,doch was erwartet den willigen Konsumenten?
Alter Strunks,viel Schrott- und wenig Schrotflinten.Selten Qualität, meist nur Räumungsverkauf der überalterten Bestände von privat und Gewerbe.

Der Neuwaffenmarkt ist aber auch nicht bunter.
Einige große Hersteller liefern lieber primär ins Ausland ,bevor man den deutschen Verbraucher bedient,denn für die Stückzahlen tun’s Ankündigungen und bunte Broschüren.
Einige wärmen die immer gleichen Flinten – Brötchen mit neuer Fischhaut und einem prefix an der Modellnummer auf.
Andere protzen mit Innovationen, die nicht von Genius eines Konstrukteurs kunden,sondern allerhöchstens von der umfangreichen Flintenbibliothek eines externen Beraters.

Ist das alles schlimm?
Nein. Ganz und gar nicht. Denn wir sind bescheiden! Wir brauchen nichts wirklich neues, oder anderes.
Unsere Stände sind einfallslos mit leistungsreduzierten Winkespielchen des DJV oder den Olympischen Ambitionen des DSB versehen,wenn schon nicht ausgelastet.

Parcours findet im kleinen Zirkel statt.
ZZ ist unbekannt und so auch viele andere Spielarten, die das Leben und das Schießen in anderen Ländern so bunt machen.

Dafür neue Flinten? Aber nööö…
Solange eine 71er BDF mit Backe und Riemenbügel,Voll und Halbgechoked als Standardjagdwaffe jedem Jungjjäger ans Herz und die Brieftasche gelegt wird…
Solange Seratonin-ausschüttungen jenseits der „drei RitterSport-Tafel-Level“, den Flintenbetrachter glücklich machen ,weil sein Auge auf dem tiefgestochenen ,röhrenden Esel des ehemals volkseigenen Graveurduos M. Eder und Pumuckel ruht…
Solange große Teile der schießenden Gemeinde immer noch nicht an „Wechselchokes glauben“ wollen,weil: „Streupatronen tuns auch!“…
Solange wird’s auch bei uns keine wirkliche andersartigen, neuartigen Flinten geben.

Hat auch seine Vorteile.
Entwicklungsabteilungen können Personal einsparen ,oder sich ausgiebig der Lektüre ausländischer Flintenbücher ergeben.

Daraus dann kurz die Reanimation einer Erfindungsmumie der Jahrhuntertwende duchzuführen,beansprucht wenig Gehirnschmalz und nur wenig Mühe am Rechner.
Auf den Hochglanzbroschüren der Marketingabteilungen glänzen diese Synapsenzündungen genialer Recherchenkunst, dann als Innovation des dritten Jahrtausends.

Mal ganz ehrlich…
Glauben Sie wirklich, dass alles, was uns heute angeboten wird, neuen Ideen entspringt?

Niedrige Baskülen
Lineare Schlagbolzenanordnung
Schäfte ohne Verschraubungstollen
Überbohrte Läufe
Verstellbare Schienen
Lange Überganskonen
Gewichtsverteilung per Einlagen und Verschraubungen
Rückstoßdämfung im Schaft und am Lauf
Lauf-Porting
Schnelle Zündverzugszeiten
Langlebige Schlagbolzen
Unzerbrechliche Federn
Verstellbare Schäfte
anatomisch verbesserte Schaftformen
nachstellbare Verschlüsse
selbstregulierende Gassysteme
fein regulierbare UND schussfeste Abzüge
rostfreie Materialien
Kunstoffschäfte
Baukastensysteme

Alles ,und noch viel mehr,… schon dagewesen! Schlag nach bei Greener…;)
Das man vieles heute wiederbelebt, ist gut.
Schade, dass unsere Sportszene zu einfallsloß ist, diese ganzen nützlichen Sachen auch wirklich in den Alltag aktiv einfließen zu lassen.

Mein lieber Freund „Zonkmaster“ (heißt natürlich nicht wirklich so),Flintenfreund und Sammler in den Weiten des flachen Landes, beklagt mit viel Verve das Überangebot an „Vielfruchtmarmelade“ im Waffenmarkt.
Soll heißen: Alle Geschmacksarten zusammengemanscht, anstatt ein Aroma hochwertigst zu pflegen und dem Gourmet zu präsentieren.
Sicher hat er da, zumindest teilweise, Recht.

Liest und hört man doch immer wieder von Leuten, die Trap,Skeet,Parcours und Jagd mit einer Flinte erledigen wollen.
Resultat ist nicht die eierlegende Wollmilchsau, sondern ein Flinten-Bastard ,zu allem bereit, zu weit weniger in der Lage.

Hier nun, will ich einige Flintenkonzepte vorstellen, die hochspezialisiert sind.
Sie werden in DE wenig Anwendung finden ,sind aber für jeden Flintenfreak interessant.

Auch von den Kosten her, stehen sie den edelstem an italienischem Flintenbau nicht nach.
Eigen sind ihnen ihre aufwendige Verarbeitung und die Verwendung von Ideen,die vielfach auf Männer wie W.W.Greener zurück gehen.

Ein großes Betätigungsfeld erschließt sich diesem Waffenbauern im American Trap.
Reglement und Aufgabenstellung verlangen nach ausgesprochen spezialisierten Waffen,um in der vorderen Front dieses amerikanischen Massensports mitzumischen.

Charakteristisch für alle Waffen sind extrem lange Läufe.
Versehen mit hochwertigen Wechselchokes oder auf die Patronenvorlage abgestimmten, sehr langen Festchokes, gehören auch besonders berechnete Übergangskonen zum Standart.
Das Überbohren des Laufes ist seit vielen Jahrzehnten selbstverständlich,da sich die verbesserte UND kontrollierte Deckung auf den extrem weiten Schußdistanzen des Am Trap bewiesen hat.

Die Trefferlage ,der „Point of impact“ wird mittels der überhöhten Schien erreicht,die größtenteils auch noch verstellbar sind.
Trefferlagen von 80:20,90:10 oder 100+ sind keine Seltenheit.

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Das bei uns grassierende Unverständnis für solche Schienen, resultiert aus dem halbwissenden Nachgeplapper von eingebautem Hochschuß,aufrechter Kopfhaltung und dem Glauben,dass mit einer Raspel am Schaft segensreiches für die Trefferlage erreicht werden kann. (in einem der nächsten Flintenblogs werden wir auf diese Thematik eingehen).

Der alte ,dröge Spruch: „der Lauf schießt ,der Schaft trifft“ ist scheinbar bei den AmTrap Schützen unbekannt.
Die wissen, wohin ihr Lauf trifft und bestellen ihn auch so.
Ansonsten pfeifen sie auf Regenpfeifer (Insiderwitz für J.) 😉

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Der Schaft dient ihnen,wie uns, zur Positionierung des Zielauges.
Allerdings hat sich bei diesen Waffen der Verstellschaft durchgesetzt.
Verstellt werden und an den Voranschlag des Schützen angepasst,kann jeder Winkel des Schaftes.

Darüber wird der Schaft, mit seiner Masse, auch als Absorber der Rückstoßes genutzt und bei einigen Waffen ohne Verschraubungsstollen gefertigt. Die Befestigung erfolgt auf dem „kurzen Weg“.
Auch ein sehr rühriger und endlich wieder innovationsfreudiger Flintenhersteller ,hat diese Vorteile erkannt und fertigt seine neue Jagdwaffe mit einer derartig zielführenden Befestigung.

Zwischen Lauf und Schaft sind ungewöhnliche Baskülen zu sehen.
Weg vom klassischen Keilverschluß mit obenliegenden Hebel,setzte sich eine gänzlich (für uns ungewöhnliche ) Optik durch.
Funktional und schlicht,ausgreifend und professionell gestaltet: Form follows function

Diese Baskülen bieten auch ungewöhnlichen Abzugsgruppen Platz.
Kein Hammer setzt Energie um, sondern linear geführte Titan Schlagbolzen treffen gradlinig und irrwitzig schnell auf die Zündhütchen.

Um das ganze noch zu beschleunigen, setzt man auf Wunsch auch sogenannte „Release-trigger“ ein.
Eine sehr unkonventionelle,umstrittene Art des Abzuges, der erst auf Loslassen die Zündung auslöst.

Gut, daß es diese Dinger nicht bei uns gibt…Unfälle wären bei unserem Übungsstandart
an der Tagesordnung. 😉

Hier die Creme de la Creme der american Trap-Flintenbauer
Ljutic

de vault Infinity

Bob Schultz

Silver Seitz

Bruce Bowen

Das auch andere Hersteller für american Trap eher konventionelle Waffen an den Sport anpassen, zeigen, neben den drei bekannten und woanders ausreichend verlinkten drei B’s, auch:
Ruger
leider nur mehr Erinnerung und Sammlerstück

Krieghoff
ein bewährter Klassiker in europäischer Bauweise der in den USA zurecht dafür Kultstatus besitzt.

Doch auch für Jagdwaffen gibt es Innovationen und extreme Querdenker.
Einer von Ihnen ist der deutschstämmige Georg Hoenig aus Boisie,Idaho.
Bekannt für seine Tuningarbeiten an Repetierbüchsen, ist er legendär geworden durch seine BDF , seine Bockbüchsen und seine grazilen Vierlinge.

Die schottischen Meisterbauer waren immer stolz auf ihre „Round Action“ Waffen, wobei sich hier das Wort „round“ auf die Unterseite der Basküle bezog.
G.Hoenig war konsequent und baute rund ,was er rund nannte.
Vierling
Flinten

Leider gibt es nur sehr wenige Bilder seiner Waffen im Netz, sodass die links nur einen viel zu geringen Eindruck seines Genies vermitteln.

Abseits des großen Teiches, gleichwohl für das dort ansässige Klientel, wurde auch in Europa Genie und geradzu klassischer Formenverstand bewiesen.
Cosmi… die „schießende Nähmaschine “ wird sie von einigen despektierlich genannt.
Andere nennen dieses Kunstwerk aus Edelstahl, eine der gelungensten,weil harmonischten Flinten der Welt.
Cosmi
eine führwar traurige Webseite,die der Waffe nicht gerecht wird.

Ihre Tage scheinen gezählt zu sein,bieten doch soviel Hersteller heute großartige und extrem zuverlässige SLFs an ,die viel einfacher geladen und gehandhabt werden können…und darüber hinaus auch bezahlbar sind.
Unerreicht bleibt ihre Führigkeit und das Gefühl, eine wahrlich meisterhafte Waffe auf der Jagd zu benutzen.
Eben einer der „italienischen Momente“ im Leben.

Selbstladeflinten bieten Erfindern viel Betätigungsfeld.
Denkt man konsequent quer, stößt man zwangsläufig darauf , die Rückstoßminderung des Nachladeprozesses zu nutzen und daraus eine Sportwaffe zu konstruieren, die höchste Schussserien ermüdungfrei zulässt.

Auch hier war das american Trap mit seinen hohen Vorlagen wegweisend.
So konstruierte Browning seine „recoilless Flinte“ für diese Disziplin.
Nicht schön, heute aber sehr selten, … munitionsabhängig und dennoch genial.

Manual

Jahrzehnte später wagte die mutige Firma Beretta den gleichen Schritt, wie einst Browning, zu gehen.
Die Beretta UGB 25 xcel

Wie man munkeln hört, immer noch mit Liefer- und anderen Problemen belastet, scheint sie mir weit mehr zu sein , als ein Exot.

Zwei Tage hatte ich Gelegenheit, diese Waffe intensiv zu schießen.
Schießtechnisch begeisternd,… eine wahre Killermaschine auf dem Trap und american Trapstand.
Für das ZZ wünschte ich mir kürzere Läufe, im Parcours sehe ich keine Zukunft.
Zugegeben, hübsch ist im Flintenbau etwas anderes, vieles gewöhnungsbedürftig…doch wenn man sich damit vertraut gemacht hat….Ohhhh MAMA !!!!

Ungewöhnlich, optisch wie technisch, ist auch die m.E. recht gewagte Swingtrap von Wurfscheiben und Maschinebauer Laporte.
Swingtrap

Vom Design liegen die Franzosen ja oft etwas neben dem Mainstream, wie ihre Autos, Ihre Filme oder die Browning Cynergie bewiesen.
Dennoch sind Ideen wie Geräuschreduzierung und ein extrem weiches Schießverhalten, für die Anwenderzielgruppe der Eventschützen sicher interessant.

Die Anwendung der Hushpower liegt fernab der normalen Flintennutzung ,im Bereich der Schädlingsbekämpfung.
Aufgrund der Dimensionen und ihres Leistungspektrums, sind Schalldämpferwaffen
derzeit eine Randerscheinung .
Hushpower

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Abseits von gewagtem Design, aber mit dem Panache des wahren Genies, brilliert die Darne Flinte und macht jede Verunstaltung von Waffen durch französischer Konstrukteure wett.
Eine wahre Königin an Eleganz und Langlebigkeit
Die Darne

Dass Jagd mit der Flinte auch extreme Anforderungen an das Material stellt, erkannte ein nordischer Flintenbauer und baute konsequent aus stainless steel:
Die Flodman

…und das Jagd mit der Flinte auch gaaaanz anders aussehen kann, beweisen die hochwildtauglichen Repetierwaffen von Tar Hunt:
Tar Hunt

Wie man sieht…nicht alles „Vielfruchtmarmelade“ ,sondern viele kleine und große Erfindungen, ungewöhnliche und interessante Waffen.

Weit mehr als Auktionsplattformen, Versandkataloge und unsere magere deutsche Fach-Literatur und Presse
bieten.

Schade, denn so manches wäre auch in DE umzusetzen, wenn…
…ja, wenn der Blick mal über’n Tellerand fallen würde und Lust auf Abwechslung, nicht gleich als unseriös abgetan würde.

Bunduki

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