Ithaca M37…Nostalgie,Retro …oder schlicht genial?

Willkommen im Flintenblog…

Keine andere Flintenart ist dermaßen mit Vorurteilen konfrontiert wie der Vorderschaftrepetierer.

Angefangen von Hollywood wurde das Image der omnipotenten Waffe entwickelt, dass bei Apokalyptikern Sehnsüchte weckt und bei bastelnden Buben die Legophase mit immer neuen Zusatzteilchen am „Sportgerät“ verlängert.

Hervorgehoben wird der taktische Nutzen dieser Waffe bei Militär, Polizei und im Selbstschutz gegen Mensch und Tier,Zombies und allerlei Geistervolk , vergessen die millionenfache harmlose Vergangenheit dieses Waffentyps auf der Jagd.

Als Beispiel hier eine Waffe ,welche in Deutschland so gut wie unbekannt ist, längst keinen Vertrieb mehr hat und dennoch zu den Besten ihrer Art gehört:
Die Ithaca M37 Featherlight

Der geniale J.M.Browing erschuf, als eine seiner letzten Erfindungen diese Waffe, als Jagdgerät mit einigen Besonderheiten:
Die Waffe sollte schmutzunanfällig sein und nur über eine Öffnung verfügen, durch die geladen und die verfeuerte Hülse ausgeworfen werden sollte.
Sie sollte kürzer und handlicher sein, als alles, was bisher auf dem Markt war.
Sie sollte extrem schnell zerlegbar (take down) sein und mit Wechselläufen versehen werden können.
Die ursprüngliche Version und das Patent von Browning’s Werkbank gelangte an die Firma Remington, die die Waffe in Cal 20 als Model 17 fertigten.
In den 30er Jahren lief das Patent aus und man nahm die ungeliebte Waffe aus dem Sortiment, um die anderen Entwicklungen (Vorläufer der Rem 870) nicht zu kannibalisieren.

Die Traditionsfirma Ithaca, bekannt für solide und hochwertige Schrotflinten, übernahm das Patent und baute damit Ihr Model 37.

Es wurde ein voller Erfolg und aufgrund der hochwertigen Fertigung, mit erheblichem Handarbeitsanteil, zum Qualitätsstandard in den USA, was Vorderschaftrepetierflinten betraf.
Anfänglich und gezwungener Maßen, zum identischen Preis mit der Winchester Mod 12 und der neuen Remington wurde die Kalkulation Ende der 60er Jahre eng für die Firma und man passte die Preise dem Herstellungsaufwand an.
Während Winchester das gleiche Problem hatte und es mit neuen Materialien und reduzierter Qualität bekämpfte, musste Ithaca in den 80er aufgeben.
Doch der Markt war treu und die Ithaca-fans gaben nicht auf und so entstand ein neues Werk und die Waffe wird heute (mit kleinen Änderungen und Anpassungen an die neue Stahlschrotzeit) wieder produziert.

Natürlich wurde die leichte und führige Waffe auch reichlich bei Militär und Polizei eingesetzt , doch den legendären Ruf der Flinte erwarb sie sich in den Wäldern und Feldern bei der Jagd .

Eine Ithaca 37 zu finden ist nicht schwer in Nordamerika. Es ist oft die abgeschrabbelste Flinte im Schrank, sie steht in der Küchenecke oder hängt im Truck am Rückfenster…
Sie steckt zerlegt im Leinensack im Buschflieger, hat ihren Platz in Kanus,Zelten und an ungezählten Lagerfeuern.

Besonders die einfachen Modelle mit sogn. Corncob Vorderschaft, ohne Fischhaut und mit einfachem Holz sind zahllos.
Begehrt von einer wachsenden Gemeinde von Jägern sind die Luxusmodelle aus den 60er Jahren, die mit Schiene, hochwertigem Holz und Fischhaut noch auf dem Markt sind.
Die Waffen kosten kleines Geld, denn sie sind „Sammlerbefreit“ i.E. die Käufer sind Jäger und keine Vitrinengucker.

Und zur Jagd ist diese Waffe bestens geeignet.
Das kurze Verschlussgehäuse (nur 16cm) erlaubt Läufe von 71cm,was wiederum die Gesamtlänge von führigen 120cm ergibt ( Vergleich:Gleiche Länge einer Benelli Montelfetro 20 mit 66cmLauf)

Die Schäfte sind, typisch amerikanisch, nicht geschränkt, taugen zu einem sauberen Anschlag…besonders wenn man das System der Waffe berücksichtigt:
Sowohl der Links, wie der Rechtsschütze kann die Waffe ohne Modifikation benutzen, denn Laden und Auswurf erfolgen durch eine Öffnung vor dem Abzug.

Keine Hülsen mehr im Gebüsch, kein lästiges Runterpurzeln im Schirm, sondern das Leergut direkt vor den Füßen.
Der Traum eines jeden deutschen Krähen- und Taubenschützen.

Der Lauf wird nicht durch Steckverbindungen,sondern durch ein hochpräzises Schnellgewinde
in den Kasten eingesetzt und nur durch eine halbe Umdrehung der Magazinkappe arretiert.
Die Jagdversionen verfügen über 4 Schuß-Magazine. Diese können bei Notwendigkeit begrenzt werden .
Die Magazinfeder ist einmalig in der Industrie (auch eine wenig beachtet Browningerfindung),ist sie doch leichter gängig (bei 100% Zuverlässigkeit), als die alle Mitbewerber .
Inspiziert man die Waffe näher ,stellt man fest,dass eine schnelle (feldmäßige) Komplettzerlegung des Schlosses, ala Rem870, nicht möglich ist.
Gute Schraubendreher, technisches Verständnis und eine orginale Zerlegungsanleitung erleichtern des Leben des Hobbybüchsenmachers (und das des Profis, der die Waffe nicht kennt).
Damit geht’s leicht und unkopliziert.

Zur normalen Pflege reicht aber das regelmäßige Durchsprühen mit Bremsenreiniger und das sanfte Ölen mit synthetischem Öl.

Die ganze Waffe ist aus STAHL, kein Alu teil, kein Plastikteilchen an der Waffe…alles fein eingepasst, solide gehärtet und auf hohe Lebensdauer ausgelegt.

Die Läufe überraschen zweimal:
Zunächst wenn man Schussbilder schießt und nicht glauben will, dass solch eine Waffe
bessere Deckungen liefert, als dies hochwertige Sportflinten modernster
Produktionsreihen tun.
Zum zweiten überraschen die gemessene Gleichmäßigkeit des Laufinneren und die Tatsache dass Überbohren, ohne jedes Werbespektakel, schon in den 50er und 60er Jahren ein Qualitätsmerkmal guter Deckung und bester Herstellungsgüte waren.

Wenn Stahl auf Stahl gleitet und alle Teile gut poliert sind, ergibt sich ein sanfter und weicher Repetiervorgang, den heute so manche Plastikplempe erst erreichen möchte.

Die Waffe ist schnell, im Anschlag im Schwung im Laden und Entladen…und sie ist schneller von Schuss zu Schuss, als JEDE derzeit angebotene Waffe …getürkte Showauftritte einbegriffen:-).
Dies liegt an einer einfachen und simplen Abzugseinheit ,die gleichwohl die Charakteristik eines hochwertigen Abzuges einer teuren Sport-BDF hat.

Doch sollte man an dieser Stelle erwähnen, welchen Sinn die jagdliche Vorderschaftrepetierflinte hat:
Es ging und geht nicht um schnelle Schussfolgen, sondern um die Möglichkeit mehrmals schießen zu können, ohne vom Ladevorgang abgelenkt zu werden.
Für den Folgeschuß auf den ersten Fehlschuss, ist die Pumgun nicht gedacht, wird aber leider dazu missbraucht (siehe Image und Realität).
Der sichere Könner repetiert die Patrone erst in den Lauf, wenn er die Waffe in den Anschlag bringt…genau deswegen ist es lernaufwendig, ein guter Pumpgun-schütze zu werden!

Heute findet man in der aktuellen M37 Lange Chokes und Übergangskonen, überbohrte Läufe und alles was die Stahltauglichkeit erfordert.
Die alten Schätzchen werden mit Festchokes und 70er Lagern natürlich nicht der Magnumitis
der Moderne gerecht…aber als „hardhitting shotgun“ sind sie ideal auf Krähen und Tauben … überall dort, wo die schöne neue Zeit noch nicht tickt…

Ithaca homepage

Ithaca Forum

Zu unterscheiden gibt es in der Jagdversion die Variante Featherlight und Ultrafeatherlight, letztere mit Alusystem.
Dazu gibt es die sogenannten Deerslayer Flinten,mit Büchsenvisier und speziell auf Flintenlaufgeschosse abgestimmten Läufen.
Und eine üppige Variantenmenge an Police- und Homedefence- Waffen in allen Lauf- und Magazinlängen.
Ersatzläufe sind eingeschränkt nach Baujahr der Grundwaffe ebenfalls auf dem Markt.
Ersatzteile sind aus den USA relativ einfach zu bekommen.

Die Waffe selbst…leider findet sich in DE kein Grossist mehr, der sich mit Ithaca
beschäftigt.
So bleibt der Internethandel ,die Tugend der Geduld , eine gute Portion Sachkenntnis und ein Stückchen Glück, um an so eine Schätzchen zu kommen. Lohnen tut es sich alle Mal!

Die Ithaca M37 ist ein lebendiges Stück Geschichte und immer noch eine voll taugliche
Jagdwaffe.

Bunduki

PS.
Warum ich keine aktuelle „moderne“ Waffe beschrieben habe?
Weil dafür schon genug getrommelt wird…
Weil schon genügend Leute über alte Flinten schreiben,die sie nie in der Hand hielten…:-(

Dieser Beitrag wurde unter guns and gear veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar