Kaliber 20…oder: die Erleuchtung

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Wen die Flintengötter lieben, den lassen sie lange auf wahre Erleuchtung warten.
Auch bei mir dauerte der Weg zum einzig wahren Flintenkaliber viele Jahre und unglaubliche Umwege.

Meine erste 20er bekam ich als Preis überreicht; eine leichte führige Remington 1100.
Unwissend ist die Jugend und schnell mit dem Verschenken…So fand die Waffe nie den Weg an meine Schulter, sondern wurde zur Befriedung eines mexikanischen Beinahe-Schwiegervaters benutzt…an meiner Schulter landete etwas anderes.
Die nächste (20erFlinte), war eine wunderschöne Winchester 21 Doppelflinte, die kurz darauf gegen einen gebrauchten Geländewagen eingetauscht wurde.
Eine Winchester Mod 12 tauchte im Abitibbi See für immer unter, bevor ich ihre Qualitäten zu schätzen lernte.
Es folgten Berettas , Brownings, Perazzis, B.Rizzinis, die alle nicht lange verweilten und gegen „richtige Kaliber“ getauscht wurden…viel verlorene Zeit ,ohne den Ruf zu hören.

Doch die Wege der Flintengötter sind unberechenbar und so verurteilten sie mich eines Tages dazu, ein
Pflichtenheft für eine Waffe zu entwerfen, die ausgerechnet das Kaliber 20 haben sollte.
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Den Prototypen in der Hand, erlebte ich meine Epiphanie der besonderen Art.
Angenehm leicht war die Waffe, ideal zu tragen und traumhaft zu schwingen.
Ermüdungsfrei und von der Garbenwirkung höchst effektiv.
Was brauchte man mehr ? Warum hatte ich jahrelang mehr Waffe rumgeschleppt, als notwendig war?

Die beste meiner Ehefrauen verlangte ebenfalls nach solche einer Flinte,“weil’s eben besser ist, als das schwere 12er Trumm“ .

Wir testeten die Flinten mit allen möglichen Laborierungen, trieben die Flintchen durch zig Parcours und hatten jede Menge Spass damit auf Jagden in Österreich und Ungarn.

Mit der 20er vermissten wir nichts.
Gänse und Wass,erwild waren an WE Schrot gebunden.
Um effektiv töten zu können, hieß das: hohe Vorlage einer Magnum oder Semi Mag –ladung > ergo eine Magnum SLF.
Alles andere, als angenehm… denn Rückstoß und Waffengewicht setzten aller Leichtigkeit ein Ende.
Doch war das schlimm?
Nicht für uns, denn Wasserjagd in DE stand (dank WE Verordnung) schon lange nur noch als Exot auf unserer jagdlichen Agenda.
So wurde die waffentechnische „Beschränkung“ auf die 20er Flinte, zur Nebensache.
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Ob Wachteln in Virginia,Ptarmigan in Chicken ,AK, Rothühner in Spanien oder Steinhühner in Griechenland,
Krammetsvögel und Fasane in Österreich, Tauben in Argentinien oder Mini, Segel und Teal
im Parcours… mit unseren kleinen Anschütz-Mirokus, lagen wir überall genau richtig.

Wer die Waffen ausprobierte ,verfiel nicht selten ihrem Charme und bestellte sich gleich auch eine (oder zwei).Da nur 50 Stück je produziert wurden, war der Kaufrausch leider bald beendet.

Im Laufe der Jahre kamen andere Waffen , im selben Kaliber , dazu, und fanden ihre Aufgaben und einen Platz im Motorcase.
Von der Benelli Cordoba die „im Land ihres Namens“ Tauben vom Himmel holte ,wollte ich gar nicht umsteigen , bis Freund F.aus den wilden Karawanken mir von seiner neuesten Liebe, einer leichten Montefeltro SLF in 20 vorschwärmte: Noch leichter…noch führiger. p9240071-mittlere-webansicht1.jpg
Nun soll man gute Ratschläge befolgen und so ist die nur 2,6 kg schwere Flinte mein absoluter Liebling geworden.

dscf2334-mittlere-webansicht.jpg…und als SLF mit Slugs oder Posten auch bei mediterranen „Schweinereien“ einzusetzen.

Wieviel Spass man haben kann,zeigt dieser Herr

Überall dort, wo Vorlagen bis max 32,idealerweise 28g, ausreichen, ist die 20er, Königin der Strecke und lustvolles Handwerkszeug des Jägers.

Natürlich wird die 20er niemals eine Gänseflinte, niemals wird sie den Weicheisen-Magnum-Hammer ersetzen, der uns qua Gesetzgebung vorgegeben wird.

Muss sie auch nicht.
Es genügt, wenn sie die Aufgaben erfüllt, für die sie einst gedacht war.
Zwanziger Flinten sind eben „Uplandguns“…darin aber, einfach perfekt.

Höchst geeignet, aber auch für andere Aufgaben.
In den USA wird das Kaliber heute als ideales Allroundkaliber gelobt…nicht für alle Wildarten, sondern für alle Schützen: Mann, Frau, Jugendliche jeder kommt mit Gewicht und dem noch moderaten Rückstoß der typischen Vorlagen zurande.
Als Home defence gun gelobt ,weil sie im Gegensatz zur dicken 12er Berta, den unerfahrenen Schützen oder die Schützin nicht verschreckt und ihnen die lebenswichtige Waffenkontrolle, in einem Notwehrszenario, überlässt.
Effektive Buckshot Munition gibt es…auch wenn man in DE kaum was davon wissen will.

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Ob in den USA, in Südamerika oder in England, Waffen gibt’s in allen Varianten:
Alle namhaften Hersteller haben ein respektables Program zu bieten,auch wenn dies die
Grossisten in Deutschland nicht in Regalpräsenz umsetzen können oder wollen.

Von kurzen Youth modellen bis zu hochwertigsten Wettkampfflinten, ( Ja,es werden auch Wettkämpfe in diesem Kaliber ausgetragen) bietet sich dem Käufer eine breite Palette mit klassischem oder modernem Design.
Bei uns scheitert Wettbewerbe mit solchen Waffen an der Trägheit von Funktionären und der Fantasielosigkeit unserer Parcoursschützen.
Anstelle immer unjagdlichere Präsentationen, ala FITASC und english sporting, in absurden Entferungen, in die Parcours zu bauen, wäre ein 20er Event, eine zu wünschende , jagdlich realistische, Bereicherung,die neuen Wind in die triste deutsche Flintenwelt bringen könnte.
Denn im Gegensatz zur 12er Flinte, ist der jagdliche Charakter der 20er in fast allen Waffenmodellen, auch den Sporting-modellen, erhalten geblieben.

Wer nun stöhnt ,er würde kaum Munition für das kleine Kaliber bekommen, dem sei versichert, dass es genügend Sorten davon gibt. Selbst das vermaledeite WE Schrot, ist preisgerecht zu bekommen.
….nur fragt’s keiner nach und somit hält’s auch niemand auf Lager.
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Sind 20er Flinten teurer ? Jein!
Aber man gibt schneller dafür Geld aus, weil sie in Ihrer Eleganz eben gerne mal einen besonders schönen Schaft verdienen. Und wenn der Schaft schön ist, sollte er auch passend gemacht werden.

Sind 20er Flinten etwas für Anfänger?
Jein?!
Man lernt so schnell oder so langsam, wie mit jeder anderen passenden Waffe oder Kaliber.
Jedoch beschränkt sich der Anfänger mit dem Kaliber auf bestimmte Jagdarten,ohne die anderen zu kennen.
Deswegen: erst alles an Flintenjagd austesten und erleben, bevor man sich spezialisiert !

Gibts „unechte 20er“?
Ja…alle Flinten die mit 12er Baskülen(Systemkästen bei SLF) und 20er Läufen, die Käufer um den richtigen 20er Schwung betrügen.

Gibt’s Zubehör dafür? Ja …warum nicht…
Chokes in allen Varianten von allen namhaften Herstellern.

Was kann die 20er Flinte wirklich nicht:
Sie trifft nicht von alleine und ersetzt keine 12er Flinte !
Sie kann die „Ideale Flinte“ sein, eine „universelle“ Flinte, wird sie nur bei einzelnen Schützen sein können, die auf bestimmte Jagdarten verzichten können.

Wer nun dem Ruf folgen will, der muss probieren!
Erst alles ,was in dem Kaliber schießt, ausprobieren….Von der Cosmi-Nähmaschine über die
kleinen Berettas und Browning-BDFs ,den queren ollen Engländern und den schmucken Spaniern bis zu den modernen italienischen Selbstladern der gehobenen Art.
Richtig gelesen! Gehobene Art! Eine billige 20er, die was taugt hab ich noch nicht gesehen.Leider.
Es kann lange dauern, bis man die richtige gefunden hat!
Aber es genügen die ersten Schüsse ,um dem Schützen zu zeigen, dass er die richtige Flinte an der Schulter hat.

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Gibt’s Märchen von der 20er?
Ja, und wie … hier ein unvollständiger Auszug waffentechnsichen Bullshits:
Sie schießt enger…
Die Schrotgarbe ist länger…
Die Schrotsäule ist zwangsläufig höher….
Sie schießt nicht soweit…
Der Rückstoß ist geringer….
Es ist eine Damenflinte….
Sie muß längere Läufe haben, um gut zu schwingen…
Sie brauchen kürzere Schäfte…
Sie wird zu schnell heiß…
Die Garbe fliegt langsamer…
Usw…usw…

Eine Tatsache sollte aber beachtet werden:
Der Wechsel von 12 auf 20, und vice versa ,braucht Gewöhnung !
Das unterschiedliche Waffengewicht, lässt die 20er schneller und leichter schwingen.
Man muss also umdenken und kontrolliert schießen, bis man sich an Gewichtung und Schwungverhalten gewöhnt hat.
Die Schäftung, speziell die Schaftlänge, ist besonders wichtig, wenn man ohne den „knackigen 20er Schlag“ schießen und das Schwungpotential aus der Flinte herauskitzeln möchte.

Dann allerdings, steht dem Vergnügen nichts mehr im Wege und die Leichtigkeit des Flintendaseins wird realisiert.

Aber eben nur bei jenen, die ihre Erleuchtung hatten…. 🙂

Bunduki

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